Geschichte der Stephanuskirche Westtünnen

Ein Gesamtkunstwerk von Architekten, Künstlern, Handwerkern und Gemeindeleitung

Die Einweihung 1982

 

Die Einweihung der Stephanuskirche geschah am 4. Dezember 1982, dem Vorabend zum 2. Advent. Mit der Errichtung dieser Kirche wurde von Architekt Rudolf Finger aus Unna ein Gemeindezentrum vollendet, das 1965 mit dem Bau des Dietrich-Bonhoeffer-Gemeindehauses begonnen und 1968 durch Kindergarten, Jugendräume und Küsterwohnung erweitert wurde. Die junge wachsende Gemeinde, die sich 1985 von der Muttergemeinde Rhynern-Drechen gelöst hatte, hat für den Alltag und den Feiertag ihren Treffpunkt geschaffen.

Die Gebäude des Gemeindezentrums umschließen einen lnnenhof, dessen Zugang durch die vier Stützen des Glockenturmes hindurchführt. Das Eisengerüst des Turmes trägt über der Glockenkammer eine Krone aus vier Spitzen, aus deren Mitte ein Kreuz emporragt - Zeichen für die Herrschaft des gekreuzigten und auferstandenen Jesus Christus.

Der durch die Türen des Windfangs in die Stephanuskirche eintretende Besucher befindet sich in einem der sogenannten Sonntagskirche vorgelagerten Bereich, der die Möglichkeit schafft, dass bei gut besuchten Festgottesdiensten bis zu 350 Teilnehmer in der Kirche Platz finden. Die waagerechte, mit 3,10 Metern Höhe relativ niedrige Betondecke grenzt diesen Teil, der von einem schmalen Lichtband umspannt ist, vom zentralen Teil der Kirche ab.

 

Fenstergestaltung von Wilhelm Buschulte

 

Die Bleiverglasung der Fenster aus mundgeblasenen, matten und durchsichtigen Scheiben, durchsetzt mit glänzenden Glasstangen und Lupensteinen, stammt von Wilhelm Buschulte aus Unna. Das Fensterband mit seinen ruhigen und bewegten Zonen, gestaltet wie eine musikalische Komposition, umschließt den Raum und erlaubt doch Durchblicke nach außen.

Der besondere Grundriss der Kirche

 

Über dem zentralen Teil der Kirche senkt sich ein zweifach gefaltetes Holzdach zum Altarraum hin, das auf zwei hochstrebenden Rundpfeilern (5,50 Meter) und Außenwänden ruht. Durch Klinkerbänder, die den ansonsten aus Natursteinplatten belegten Fußboden durchziehen, wird die Struktur des Raumes nachgezeichnet. Auf Stufen zum Altar wurde bewusst verzichtet, damit der Liturg auf einer Ebene mit der Gemeinde steht. Ein breiter Fenstergürtel oberhalb des Vordaches, zwei senkrecht in die gestaffelt versetzte Nordwand eingelassene Fensterschlitze und ein Deckenlicht, das den Chorraum begrenzt, geben der Sonntagskirche ein helles, auf den Altarbereich zufallendes Licht. 

 

Das Relief im Altarraum

 

Der im Grundriss gerundet erscheinende Kirchenraum, den der Besucher seitlich seiner Hauptachse betritt, erhält seine Orientierung durch die von Hilde Schürk-Frisch aus Münster geschaffene bildhauerische Gestaltung. Beim Eintreten in die Kirche fällt der Blick des  Betrachters auf ein senkrechtes Ziegelband, das in lebhaft versetzter Rollschicht gemauert aus der glatten Raumverblendung hervortritt und vom Boden bis zur Decke reicht. Daraus löst sich etwa in Kopfhöhe ein horizontaler „Weg“, der zur Mitte des Chorraumes  führt und bis zu einer gemauerten runden Scheibe hinter dem Altar reicht. Die hellen farbigen Ziegelsteine des oberen Bereiches der Senkrechten bezeichneten Lichtstrahlen, die in die Finsternis  hineinfallen und eine Bewegung auslösen, die Menschen miteinander auf einen Weg bringt.

 

Diese bunt gemischte, sich gegenseitig stützende und tragende Weggemeinschaft, im waagerechten Streifen des Reliefs durch verschieden farbige Ziegel dargestellt, münden in die untere Hälfte der Kreisscheibe ein. Hier fallen die Steine kreuz und quer durcheinander, Zeichen für unruhiges, widersprüchliches, geschütteltes Leben mit Licht-und Schattenseiten. Abschließend markiert eine dunkle Linie  die Grenze menschlichen Vermögens und Erkennens. Doch darüber spannt das Relief einen anderen Halbkreis voller klarer, lichter, freundlicher Gelbtöne. Hier schließen sich die Steine zusammen und weisen auf eine neue Wirklichkeit hin, die im Glauben schon spürbar ist: Alles wird sich einmal richten, wird eindeutig und durchsichtig sein.

 

Beide Hälften unseres Daseins werden durch das davor gesetzte Bronzekreuz von 1983 verbunden. Der aufrechte Kreuzesbalken durchbricht die dunkle Todesgrenze und stößt wie ein gespitzter „Pfahl im Fleisch“ in den Wirbel von Steinen der unteren Kreishälfte. Der Balken trägt jedoch oben die „Krone des Lebens“. Die waagerechten Kreuzesarme enden in Klammern, die beide Bereiche der Scheibe miteinander verbinden. Im Zentrum steht der gekreuzigte und auferstandene Christus. Er umgreift Himmel und Erde, unsere gefallene und zugleich erlöste Welt. Seine linke Hand streckt sich aus, um die „Mühseligen und Beladenen“ zu sich einzuladen. Mit der anderen Hand umfasst er als „Herr der Ernte“ das reife Korn. Das Werk der Künstlerin regt in seinen Teilen und in seiner Gesamtheit zur Meditation an. Es predigt in seiner Art den menschenfreundlichen Gott.

Der Altarraum

 

Altartisch, Kanzel und Taufständer wurden vom Architekt Finger entworfen. Ihr grau gebeiztes Holz harmoniert mit dem Grau des Gestühls und der Kirchendecke. Die beiden Altarleuchter aus Bronze, von Gerhard Bücker aus Vellern im Jahre 2000 geschaffen, stehen auf einem Dreifuß und erhalten durch eine Bergkristallkugel im Schaft eine festliche Note.

 

Das Taufbecken, eine von Hilde Schürk-Frisch 1986 gefertigte Bronzeschale, zeigt in ihrem Rand die von einem Nagel durchbohrte Hand Christi. Von ihr gehen Strahlen aus, in denen sich Fische tummeln – zum Zeichen der neuen Existenz derer, die in „Christi Tod und Auferstehung getauft sind“, was durch einen großen Fisch im Beckenrand angedeutet wird. 

Die Orgel

 

Im linken Bereich des Gebäudes erreicht man über zwei Stufen einen kleinen Raum, der die Kirche mit Gemeindehaus und Sakristei verbindet und der Möglichkeiten für musikalische und szenische Aufführungen bietet. Hier hat die Orgel ihren Platz, deren Gehäuse sich in die Gesamtarchitektur einfügt. Ein vollmechanisches, zweimanuales Schleifladewerk mit zwölf Registern und einem Vorabzug, das 1992 von der Firma Alfred Führer aus Wilhelmshaven erstellt wurde. 

 

Im Anschluss an eine Skulpturen-Ausstellung in der Kirche wurde als jüngstes Kunstwerk im Jahre 2004 eine Holzplastik von Sebastian Betz aus Meschede erworben. Sie hat die Form eines nach unten verlängerten ovaIen Körpers, dessen sorgfältig geglättete Oberfläche  von  zwei  scharfen Schnitten  kreuzförmig  durchbrochen wird: wie eine schmerzhafte Verletzung, durch die jedoch heilsam Licht und Leben eindringen können.

 



 

Tür und Türgriff

 

Beim Verlassen der Kirche durch zwei Doppeltüren, deren Gläser eingeschliffene Ornamente von Wihelm Buschulte tragen, lohnt ein Blick auf das von Hilde Schürk-Frisch geschaffene, die Türen überspannende Bronzegestänge. Es trägt auf der der Windfang zugewandten Seite mit einem Kreuz gezeichnete Knäufe.

 

Die Griffe außen zeigen eine offene Hand, aus der eine spiralförmige Bewegung hervorgeht, die auf viele Hände zuführt: aus Gottes Hand in unsere Hände. Es ist zu wünschen, dass Jeder, der diese Kirche besucht, auch als Beschenkter herausgeht und spürt: Gott füllt unsere leeren Hände. [Anmerkung der Redaktion: Das Symbol für die Stephanuskirche im Kopfbereich dieser Seite ist dieser Plastik nachempfunden.]

Die Stephanuskirche zeugt davon, dass im Zusammenwirken von Architekt, Künstlern, Handwerkern und Gemeindeleitung ein schönes Gebäude entstanden ist, das etwas von der geistlichen Mitte der Gemeinde deutlich macht.

Text ©: Gert Haverland, Egbert Mustroph

 



 

Adresse

Dietrich-Bonhoeffer-Str. 5
59069 Hamm